Walter G. Goes
Zur Eröffnung seiner Ausstellung in der Orangerie Putbus am 13.09.2014
DIE BILDERWELTEN DES MATTHIAS WEGEHAUPT
Lassen Sie mich eingangs einen minimalistischen Prosatext auf die heute zu eröffnende Ausstellung „VERWANDLUNGEN“ vortragen, wenn Sie wollen zur Einstimmung.
Er trägt den Titel: „Gewitter auf dem Meere“.
Es ist so ein eigener Schein, so ein grün feiner innerer Ton wie eine Wiese, von der niemand weiß, wo sie herkommt und mit ihrem Wachstum leuchtet dann mitten auf den Wellen, wo sie sich wie Hügel erheben.
Höher und höher sich dehnen.
Und da am Strand zu , meinen Füßen, wie Ackerkrumen ist das, wie Ackerkrumen mit ihren schwarzen, fruchtschwellenden Kämmen, die sich vornüber zur Seite legen.
Wie üppige Wünsche, ungeheuer und lüsternd wölbt sich das blaue Gewölk zu wilden Hallen dröhnend zuckender Leidenschaften.
Bleiches Grauen in dünnen Streifen zieht darüber,
ein ohnmächtiges Gewissen, das Furcht hat.
Diese Prosazeilen des leider fast vergessenen Peter Hille der von 1854 bis 1904 lebte, liebte, dichtete, der in Lebensstil und Dichtung so herrlich weit weg war vom aufgeblasenen Gründerzeitprunk seiner Zeitgenossen und dem klirrendem Lärm ihrer ach so selbstverständlichen, die prekäre Zukunft einläutenden Militärparaden, sie fielen mir zu, als ich mit meinem Kollegen Frank Otto Sperlich am 2. September 2014 nach Ückeritz fuhr, hin zum Maler Matthias Wegehaupt, der den opulenten Fundus seiner Arbeiten gerade zur Auswahl und Abholung bereitgestellt hatte. Bereitgestellt als Angebot für seine Ausstellung „VERWANDLUNGEN: Wald – Schilf – Menschenufer“, die wir heute der Öffentlichkeit übergeben
.
…
Warum dieser Hille-Text?
Weil er für mich… Wegehaupt-Bilder wachrief, aufscheinen liess, die ich von seiner Ausstellung – vor fast genau 2 Jahren – auf Gut Libnow bei Lassan sah und die mich auch im Nachhinein nicht losgelassen hat, bis heute nicht.
Immerhin führte sie 2012 dazu, dass ich der KulturStiftung Rügen eine Ausstellung von Werken Wegehaupts vorschlug.
Ich stieß auf offenen Ohren und umgehend Bereitschaft zu einer hier vor Ort zu initiierenden Personalausstellung.
Und nun sehen wir – zugegeben in subjektiver Auswahl – das Werk und staunen vor diesem Oeuvre, das ja nur einen kleinen Ausschnitt des über die Jahre GEWACHSENEN darstellt. Eine unverwechselbare Handschrift, die sich offen für Einflüsse – in aller Stille der Provinz, ohne provinziell zu werden, ausbilden konnte.
Dank an Matthias Wegehaupt für das unkomplizierte JA zum Ausstellungsprojekt und Dank an die KulturStiftung, die mit dieser Wegehaupt-Präsentation dem imposanten Ausstellungsreigen des Jahres 2014 zu weiterem Glanz verhilft.
Natürlich können die Hille-Text-Bilder nicht 1:1 Matthias-Wegehaupt-Bilder spiegeln, wie auch; aber sie rufen Assoziationen wach.
Hille redet vom „Gewitter auf dem Meere“, verweist auf spektakuläre Wellengebilde, über die sich in dünnen Streifen ein bleiches Grauen zieht. In einem anderen Text, einem SEEGESICHT betitelten Gedicht, spricht er von „hingegossen ruhende(n) Linien“…
Matthias Wegehaupt verweist in SEINEN BILDERN thematisch auf… den Wald, auf… das Schilf, auf … das Menschenufer; auf Durchdringungen, ja, unausgesprochen natürlich auch auf das imaginär anwesende Meer, er verweist auf … sich untereinander Verschwisterndes, auf… VERWANDLUNGEN.
Und … sind da etwa nicht dünne Streifen, die sich gelegentlich als WAAGERECHTE und SENKRECHTE eines kompositorische Grundmusters über diese und jenes Motiv ziehen. Bei Hille als „bleiches Grauen“, bei Matthias Wegehaupt als aufleuchtendes Linienband, als überbordendes Muster , als farblich aktives Raster, das uns innehalten, ja … zu neugierig gewordenen Entdeckern seiner Figurationen werden lässt und nicht zuletzt zu eigenen Interpretationen anstachelt.. .
Schaue ich auf seine programmatischen Bilderfolgen von Wald, Schilf und Menschenufer (andere: wie Himmel und Meer ließen sich anfügen), sehe ich einen Kollegen, der immer noch neu-gierig „unterwegs“ ist, experimentierend, forschend, hin zu Ufern, die wir zu kennen meinen und denen dann doch überraschend neue Aspekte abgewonnen wurden. Da vertraut EINER seinem Auge und seiner Phantasie. Da hat sich einer nicht betulich in einem eng regulierten Formenkanon eingerichtet, eingenistet, auf dass der Markt, die VERMARKTUNG greift, ja … funktionieren kann, auf dass der Künstler zum abrufbarem Spielball wird, zum vordergründig schnell erkennbaren „Objekt“ zivilisiert, beschnitten, kastriert wird.
Derlei Widerspruchsgeist, so er sich dem irrlichternden ZEITGEIST verweigert, dem vordergründig gefälligen, erweckte bei mir früh Sympathie.
Er gehörte zu den wenigen Kollegen im Norden, wie Manigk, Niemeyer-Holstein und Kastner, zu denen man in bedrängter Zeit aufsehen konnte ohne Aufsehen zu müssen. Man fühlte auch aus der Ferne Brüderlichkeit und Freundschaft im Geiste. DAS, Matthias, wollte ich dir längst einmal gesagt haben.
Die wahrgenommene Welt, so WIR uns OFFENHALTEN, ist universell, von einem rätselhaften Zauber, von einer unfassbaren Vielgestaltigkeit. Wir müssen ihr nur nah sein.
Ihr haben wir mit Demut zu begegnen, … mit Empfindsamkeit, mit einem WARTENKÖNNEN für die Augenblicke der Erkenntnis.
Erst dann ist die Tür offen hin zu den Reichen der Phantasie, die sich durch GESEHENES aufladen lassen und in Variationen nach AUSSEN gestellt werden können, den Betrachtern Bild um Bild zur Freude, zur (auch das kann sich ergeben!) Zumutung, die immerhin den MUT als Wortstamm umschließt.
Man kann diesen Wegehaupt-Bildern Etikette der Zuordnung verpassen, ihnen z.B. mit der „Poesie der Waagerechten“ kommen. Das hört sich ja immer gut an, trifft die Einbettung aber immer und überall?
Lassen wir doch den Akteur selbst, lassen wir den Künstler Matthias Wegehaupt sprechen, der lieber von der „MAGIE der Waagerechten“ spricht, mit einer kleinen Prise Jandl-Sarkasmus:
„Ein Wanderer am Meer…, der Akzent der winzigen Senkrechten. Ein Leben lang bemüht man sich, sich auf zwei Beinen zu bewegen, bis man (sich) schließlich ein für alle Mal zu dem Waagerechten gesellt… Ich verwende den Klang waagerechter Strukturen. Sie haben einen Rhythmus, sie schaffen einen Raum. Sie verwandeln.
Sie sagen: Dies ist ein Bild, NICHT abgemalte Natur. Alles, was im Bild ist, bezieht sich auf diese Elemente, die nicht Ding sind.
In anderen Bildern allerdings werden diese Strukturen zu Tarnnetzen. Sie markieren die Attrappenebene des Scheins, der Illusion, der Täuschung und verbergen das ein wenig, was sich dahinter verbirgt.“ So weit und so deutlich Matthias Wegehaupt.
Meine Damen und Herren, WER das SEHEN nicht verlernt hat, wer der Phantasie Raum belässt auf seinen Wegen, der kann sich in den Bilder-Welten des Matthias Wegehaupt „üppige Wünsche“ (ich zitiere nochmals Hille) erfüllen; der entdeckt Anklänge an eigene Erinnerungen… an Sommer- und Wintertage, womöglich in Ufernähe zum Meer hin, des Menschen Eingebunden- und Vernetztsein mit der Natur, seine Reduktion und Verlorenheit, seine… Infragestellung.
VIELES schein seltsam vertraut und ist doch neu inszeniert, zur eindrucksvollen Metapher gekürt: Uferlinien, Waldszenerien, Figurenfragmente: von Narben gezeichnet, umzeichnet, befleckt, erweckt, die verborgene Welt.
Der Schilfgürtel im Rhythmus, Struktur, Farbe und Klang: Als Erlebnis auf die Leinwand gezaubert.
Der Künstler als Botschafter der eigentlich vertrauten, aber doch so noch nie gesehener Welten.
Diese Bilderwelten sind ein mannigfaltiges Geschenk an uns, das immer wieder emporwächst, sich auswächst in ungebrochener Vitalität…
Ein Geschenk, das jung bleibt, wie ein Gewissen, das keine Furcht kennt!